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Wann kommt der Frühling?

War nicht vor ein paar Tagen Frühlingsanfang?

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Nur gut das die Rostschutzfarbe auf Theo's Ersatzradhalterung schon trocken war. Der Einbau muss noch warten, in der Garage herschen nach wie vor arktische Temperaturen.

Aller guten Dinge sind drei

Der Kauf eines Talbot Tagora als Neuwagen beim Händler war 1983 ein eher seltener Vorgang. Das die Wahl dabei auf das Spitzenmodell SX fiel, war schon wegen des stolzen Listenpreises von 29600 DM plus 560 DM für die edle metallic Lackierung eher die Ausnahme. pl2_612

Lediglich 40 unerschrockene Käufer konnten sich im letzen Produktionsjahr weltweit zu dieser mutigen Entscheidung durchringen, in Deutschland wohl kaum eine Handvoll.  Zur Erinnerung, der Tagora SX verfügt über den 2,7 Liter V6 PRV Motor aus dem Peugeot 604. Die 136 PS Maschine wurde von den findigen Talbot Technikern mit zwei Weber 40 IDA Dreifachvergasern aufgerüstet, was einem Porsche 911 oder Ferrari 365 recht ist kann ja einem Talbot nur billig sein. Mit einigen Änderungen an Steuerung und Ventilen wurde so die Motorleistung auf satte 166 PS und das Drehmoment von 205 auf 230 Nm gesteigert. Damit war der Tagora SX der damals stärkste Serienwagen aus französischer Produktion. Das der SX mangels Startautomatik auch die einzige Oberklassenlimousine mit manuellem Choke war darf dabei als Kollateralschaden durchgehen. Die Beschleunigung von 0 auf 100 in 8 Sekunden und 200 km/h Spitze hatten natürlich Ihren Preis, nicht nur beim Kauf sondern auch beim Verbrauch. 16,2 L nach DIN bedeuteten schon damals eher das fahrspaßfreie Minimum mit dem sich ein Ziel erreichen lässt. Eine zum Fahrzeug passende Fahrweise erfordert einen wesentlch höheren Durchfluss mineralischer Brennstoffe der teuersten Sorte durch die schicken Weber Vergaser. Man muss es wohl positiv sehen, nachdem man sich beim Talbot Händler ja schon viele Sympathien erworben hat, kann es ja nicht schaden auch den Tankwart zum Freund zu machen. Bei der Innenaustattung gab es ausser ein paar Kleinigkeiten kaum etwas um den Aufpreis für die SX Ausführung zu rechtfertigen. Einzig der serienmäßige Reisedatenrechner lässt einen echten Mehrwert erkennen, andere Extras wie hintere Kopfstützen, höhenverstellbare Sitze und ein zweiter Aschenbecher fallen selbst dem Kenner kaum auf. Beim Fahrwerk gibt es hinten Scheiben- statt Trommelbremsen um die vielen Pferde gegebenenfalls auch bändigen zu können. Dazu gab es ein Schmankerl der ganz besonderen Art: metrische Alufelgen mit Michelin TRX Reifen. Das war damals absolute Spitzentechnik. Ansonsten deuten lediglich ein paar Chromstreifen auf der Stoßstange und die Embleme dezent darauf hin das hier das Spitzenmodell vor einem steht.

Warum erzähle ich euch das alles? Ihr könnt es euch denken, so ein SX ist für Tagora Fans natürlich so etwas wie der heilige Gral für die die Ritter der Kokosnuß. Paul war eigentlich ein Nebenefekt bei der Suche nach einem SX und wir hielten weiterhin die Augen auf.  Das Angebot ist nicht gerade üppig, von den lediglich 1083 gebauten Exemplaren sind die meisten schon in jungen Jahren vom Rost zerfressen worden. Viele wurden alleine der Vergaser wegen von Porsche 911 oder Renault Alpine Fahrern zerlegt, andere mussten auf den Schrott weil sich der Tüv schon wegen der Reifen, die je mehr als 300€ kosten, oft nicht mehr lohnte. Die wenigen Überlebenden sind entweder in fester Sammlerhand oder in einem derart desolatem Zustand, das eine Rettung nur mit hohen Kosten wenn, mangels Teilen, überhaupt möglich ist. Einen Tagora mit intakter Innenausstattung gibt es eh nicht, einen SX schon gar nicht... so dachten wir bis letzen Sonntag.

Schon beim samstäglichen Ausflug zum Roßfeld sinnierten wir beim Kaffee auf der Alm über die Vorteile die 166 PS bei 24% Steigung haben. Sonntag früh blieb deshalb die Wochenendausgabe der Lokalzeitung unglesen und stattdessen wurden die Suchmaschinen wie schon so oft mit den immer gleichen Begriffen traktiert, "SX", "Tagora", "a vendre" etc.. Unter den ewig gleichen Ergebnissen fand sich diesmal was neues: "Verkaufe Talbot Tagora mit defekter Kupplung aus erster Hand", Standort im südlichen Thüringen, keine Details, keine Bilder, nur eine Telefonnummer.  Eine kleine aber feine Einzelheit fiel dennoch auf, von SX war keine Rede, aber das online Formular erzwang die Eingabe der Motorleistung und da stand doch tatsächlich 166 PS. Fünf Minuten und 2 Telefonanrufe später, rollte Paul aus der Garage und ich war auf dem Weg um Michael für einen Ausflug nach Thüringen abzuholen. Gerade noch rechtzeig vor Sonnenuntergang erreichen wir das Ziel. Zwischen Schneeresten lacht uns aus einer feuchten Wiese das bekannte eckige Tagora Gesicht an.

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Ein erster Check findet ausser Rost an den vorderen Türen nichts auffälliges. Während ich mich in Schnee und feuchtem Gras wälze um untenrum das Blech zu inspizieren erklimmt Michael den Innenraum. Kurz drauf tauchen wir beide wieder auf und schauen uns verblüfft an.

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Die Innenausstattung ist absolut makellos, kein gebrochenes oder verfärbtes Plastik, nichts bröselt, kein Risse oder aufgeplatzen Nähte in den Sitzen, eine völlig intakte Hutablage und sogar der Himmel macht keinerlei Anstalten uns auf den Kopf zu fallen. Untenrum lässt sich kein Rost finden, sogar der original Auspuff zeigt lediglich etwas Oberflächenrost. Unter der Haube ist alles sauber, die Konstruktion mit den fetten Vergasern auf dem uns ja aus unseren 504 Cabrios wohlbekannten PRV Motor beeindruckend. Durch wieviele Hände mag der SX wohl in den letzen 30 Jahren gegangen ist? Ein Blick in den Brief klärt uns auf.brief_600_879
Es gibt nur einen Eintrag, der SX war zeitlebens in pflegender Damenhand. Der Kilometerzähler zeigt gerade mal 73122 km und das obwohl das Fahrzeug seit 30 Jahren durchgehend zugelassen war und alle 2 Jahre brav zum Check beim Peugeot Händler und dann zum TÜV rollte.

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Der Schlüssel wird gedreht und der Anlasser orgelt fröhlich los. Die Vergaser und alle Benzinleitungen sind knochentrocken, nach einer gefühlten Ewigkeit kommt endlich Benzin und der Sechszylinder röhrt fauchend los um nach kurzer Zeit in ein sanftes Schnurren überzugehen. Eine Probefahrt scheitert an der defekten Kupplung, aber das war ja bekannt. Es bleibt uns nichts, wir müssen zuschlagen, der Preis wird noch etwas runtergehandelt und der Kauf per Handschlag besiegelt. In unsere euphorischen Phantasien über rasante Autobahnfahrten und flotte Kurven auf serpentinenreiche Pässen mischen sich nur kurze Überlegungen über die beste Formulierung der anstehenden Beichte bei unseren Ehefrauen.

Eine Überführung auf eigener Achse war mangels funktionierender Kupplung nicht möglich, darum brechen wir diesen Samstag früh um 06:00 mit dem bewährtem Gespann aus Michaels VW Bus und Nachbars  Anhänger nach Thüringen auf. Mit einem kleinem Schubs schafft es der SX sogar aus eigener Kraft aus der Wiese auf den Anhänger. 008_600_734

Schon am frühen Nachmittag sind wir zurück in der Heimat und es geht direkt auf Meister Speusers Hebebühne. 034_600_600
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Kein Rost, nicht mal die so gut wie immer angegriffenen Hinterachsschwingen zeigen Rostansatz. Nichts leckt oder ist defekt, alles in bester Ordnung, einen so guten Zustand haben wir gar nicht erwartet. Einzig die vorderen Türen haben an der Unterkante Rost und rundum gibt es ein paar Spuren von Parkremplern. 055_600_600

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Nächster Schritt, Ventildeckel runter, eine Maßnahme auf die ich schon die ganze Woche ungeduldig warte. Warum das, wo der Motor doch läuft? img_2556_600_803

Dazu muß ich etwas ausholen. Ende 1982 hatte jemand bei der in den letzten Zügen liegende Marke Talbot die glorreiche Idee das Markenimage durch mehr Engagement im Motorsport aufzubessern, es kam sogar zu einer Beteiligung in der Formel 1. Dazu musste natürlich auch etwas passendes ins eigene Fahrzeugangebot. Mit dem Talbot Sunbeam Lotus hatte man bereits Erfolge im Rallysport verbuchen können, aber das war wohl nicht ausreichend, etwas neues musste her. Das Spitzenmodell Tagora wurde auserkoren das sportliche Markenimage angemessen zu präsentieren. Zehn V6 Motoren wurden zum Peugeot Haustuner Danielson geschickt, bis 2,8 l aufgebohrt und auf 200 PS getrimmt um den neuen Supertagora angemessen zu motorisieren. Als die 10 Maschinen zurückkamen war der Tagora bereits so gut wie beerdigt und das Ende der Marke Talbot nahe. Ein Motor fand den Weg in einen 505 Prototyp der dann nicht in Serie ging. Die anderen waren, so erzählt man sich, zu Schade um sie wegzuwerfen und wurden zurück ins Lager gestellt. Gegen Ende der Tagora Produktion war das Geld knapp und die Motoren landeten letzlich in der Serienfertigung ohne das Händler oder Kunde davon wussten. Serienfertigung bedeutete 1983 ganze 40 SX. Was an dieser Geschchte wirklich dran ist, keine Ahnung, ein solches Fahrzeug ist bekannt und auch der 505 blieb erhalten. Ach ja, warum nun der Blick unter den Ventildeckel? Der 200 PS Motor hatte zur Verstärkung doppelte Steuerketten erhalten, da müssen wir natürlich sofort nachschauen was unter der Aluhaube versteckt ist. img_2559_600_803

Leider nur eine Kette, man kann nicht alles haben.

"Über den Wolken..."

Was dem Reinhard der Mey, ist uns bereits der März:
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Nach dem "trübsten Februar seit Aufzeichnung des Wetters" (Quelle dpa, Reuters, meine Nachbarin) haben wir uns spontan eine Rosskur, oder besser Rossfeld-Kur verschrieben: die Rossfeldpanoramastraße .
Und nachdem Theo und Paul ja bisher noch keinen ausserwerkstättlichen Verkehr gepflegt haben, war klar: Die beiden sollens gemeinsam geniessen. Für Paul war es damit seit seiner Entführung aus Frankreichs heißem Süden der erste Kontakt mit der Sonne Bayerns, für Theo ein weiterer Schritt in Richtung "Highlands" mit Schnee und satten Steigungen.
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Merke: Kein Gefälle ohne Steigung!
Nach trübem Start
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und durchwachsener Anreise durch den Chiemgau
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war die ersehnte Sonne dort oben dann auch omnipräsent:
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An den sonnigsten Plätzen gings schon hoch her, Parkplätze waren Mangelware: Weil die Sonnenterrassen noch tiefverschneit und nicht geöffnet waren, belagerten die Sonnenhungrigen mit ihren Liegestühlen die wenigen Stellplätze.
Für unser "Traditionsfoto" am höchsten Punkt übten wir mit Theo dann schon mal den Linksverkehr, Paul machte gleich bereitwillig mit.
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Ja, Schnee hats da oben noch reichlich; das Fotodokument über den untauglichen Versuch, die Schneeschmelze zu beschleunigen, kommt ins Archiv, nix für die Öffentlichkeit ;-).
Interessanter Aspekt, wenn man zwei bau-, alters- und leistungsgleiche Fahrzeuge hat:
Ein Fahrerwechsel auf halber Strecke bringt die Unarten jedes einzelnen klar ans Licht.
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Damit ist natürlich nicht die "Zitternadel" von Theo gemeint, sondern Laufruhe, Nebengeräusche, Anzug und Fahrverhalten. Beide machen einen Riesenspaß.
Was singt Herr Mey am Ende? "...ich wär gern mit gefahren..." oder so ähnlich :-)
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Zum Abschluss des Tages gabs für beide die unvermeidliche Unterbodendusche, wir wollen sie noch lange geniessen.

Stilvoll

Kaum haben wir uns für die härteste Oldtimerrally der Welt angemeldet, schon klingelt der Postbote und bringt uns ein Paket aus der schönen Ortschaft Port Talbot(!) in Wales. Die Verpackung ist aufwendig, der Inhalt diese edle Schachtel.

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Was mag da wohl drin sein?

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Es bleibt spannend, ein paar Abziehbilder und noch mehr Verpackung. Bei so viel Aufwand muss es was sein das für die Rally unabdingbar ist. Kompass, Schneeketten, Wollmütze, Zyanid-Kapsel?

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Oh, eine edle Krawatte in British Racing Green, tatsächlich unabdingbar für diese Rally, nicht das wir im Winter um den Hals rum frieren. Zur Not sicherlich auch als Keilriemenersatz oder als Anfahrhilfe auf Schnee geeignet.

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Bitte nicht Anfragen, wir dürfen das edle Teil weder verleihen noch verkaufen.