Das Beste am Norden... 1.Teil
…ist ganz eindeutig das Meer. Und als gebürtiger Fischkopp brauchts einmal im Jahr die Nase im Wind, salzige Seeluft schnuppern und barfuß durchs Wattenmeer laufen. Darum ist diese Wochen-Tour Mitte Oktober unvermeidlich. Dass es unbedingt eine Tour mit LaVerdette sein muss, fanden gleich ein halbes Dutzend Bedenkenträger riskant. Aber dann sollte man doch mit seinen Autos lieber ein Museum aufmachen, statt sie zu fahren. Und ich will fahren!
Montag
Zugegeben, ein Montag ist sicher nicht der ideale Zeitpunkt für eine Fahrt mit einem Oldtimer über München, Nürnberg, Fulda usw. bis Hamburg, der Tag beginnt zäh mit Staus rund um München, aber danach macht LaVerdette ihre Sache sehr gut, ist immer einen Schritt schneller als die Armada von LKW im Rückspiegel und läuft später auf der ewig langen, langweiligen A7 zwischen Hannover und Hamburg sogar 120 km/h im Dauerbetrieb.
Und immer spielt das Wetter mit.
Wir erreichen die Oldie-Tanke im Südosten Hamburgs am Billhorner Röhrendamm nach 9,5 Stunden, nur knapp 90 Minuten später als es das Navi in der Früh prophezeit hatte.
So weit so gut läuft alles nach Plan…Doch dann ist plötzlich Schluss mit lustig. Nicht nur, dass es ab sofort regnet; beim Versuch, das Hamburger Stadtgebiet von Ost nach West Richtung Haseldorfer Marsch zu durchqueren, dummerweise mitten im Feierabendverkehr, verläßt LaVerdette plötzlich die Lust, ruhig dahinzufahren. Sie muckt und ruckelt dermaßen, dass ich gezwungen bin, auf einer Tankstelle bei einsetzender Dämmerung kurz mal „as usual“ den Benzinfilter der Pumpe zu checken.
Ein bisschen Dreck findet sich, der wird entfernt; Dank lila Spezial-Werkzeug zum Ausblasen kein Problem...und weiter geht’s…nicht wirklich. Keine Verbesserung der Gesamtsituation. Das wars also nicht . Mit "Schmerzen" fahre ich zum Hotel.
Dienstag
Ein spätabendlicher Hilfe-Rundruf noch am Montag bringt mir einen Spontan-Besuch am Dienstag in Frestedt bei Piet Brodersen, 404-Treffen-Organisator: „Ja, komm einfach mal rum, dann gucken wir uns das mal an.“
Gesagt, getan, Filter vom Vergaser ausgeblasen, nochmal die BePu kontrolliert.
Leider weiterhin keine Verbesserung . Trotzdem, danke Piet & bis…
Nächster Halt: Bosch-Service Wahl in Heide/Holstein
Mein Anruf ins Blaue ergibt einen Treffer in Heide, ja, man wolle helfen. Vor Ort wird LaVerdette sogleich in die Halle gelassen, Dank alter Diagnose-Geräte und einem Mann ohne Scheu vor alten Autos wird hier alles Menschenmögliche gecheckt, von Verteiler über Zündkabel + Kerzen bis hin zur Kompression.
Diagnose: Zündkabel schlecht. 6 passende lassen sich in deren Altbeständen finden, die restlichen zwei kann ich beim örtlichen Autoteile-Service Matthies auftreiben. Im Leerlauf auch bei hochdrehendem Motor mustergültiger Rundlauf. Die abschließende Probefahrt ergibt: keine Verbesserung . Er vermutet ein mechanisches Problem. Ich ruckle weiter nach Büsum, dem eigentlichen Ziel meiner Reise. Trotzdem, danke an die Bosch-Leute für ihren Einsatz.
Mittwoch
Nächster Halt: Opel-Rau in Büsum
Das Googeln nach Werkstätten in der Fremde ist immer ein Roulette-Spiel, wer hat schon Ahnung von fast 60 Jahren alten Autos. Nachdem LaVerdette seit gestern mit Opel-Zündkabeln ausgestattet ist, halte ich in der Früh einfach mal beim örtlichen Opel-Händler an und bitte um deren fachliche Diagnose.
Am Nachmittag die Rückmeldung von Herrn von Possel, Opel Rau: Es müsse der Vergaser sein, die Probefahrt(en) unter verschiedenen Lasten an Gas und Choke würden das anzeigen. Spritmangel scheidet aus. Aber nein, man habe keine Zeit für eine Vergaser-Aktion, man sein mitten im Winterreifen-Wechsel-Geschäft. (bei +15° C...) . Trotzdem, danke an die Opel-Mechaniker.
Die restliche Zeit des Tages geht mit einem Dutzend Telefonaten nach einer willigen Werkstatt drauf, mein „bin-auf-der-Durchreise“-Argument verfängt leider nirgendwo, sobald ich LaVerdette´s Baujahr verrate. Auch die Bosch-Leute vom Vortag trauen sich plötzlich da nicht mehr ran. Ein Tipp bringt mir aber den Kontakt zu einem Oldtimer-Fachmann: „Ja, komm man morgen früh erstmal her, dann sehen wir weiter.“
Donnerstag
Nächster Halt: Oldtimer Garage Süderholm
Cornelius „Nele“ Lorenzen hat eine kleine feine Werkstatt am Rande von Heide/Holstein und eigentlich gar keine Zeit. In der Halle glänzt ein RHD-Bentley, ein echtes Schmuckstück, Kundenfahrzeug, an dem er wohl gerade arbeitet.
Das nenn ich mal feine Gesellschaft
Seltsamerweise ist LaVerdette auf dem Weg dorthin ausgemacht zahm und willig, beinahe keine Aussetzer, eher Aussetzerchen, fast wie der eigene Weg zum Zahnarzt, wenn die Schmerzen plötzlich weg sind… Die Probefahrt ergibt dann doch noch wieder die bekannten Ruckler. Zurück in der Werkstatt beginnt die Vergaser-Reinigungs-Prozedur, alle Düsen raus und reinigen, der kürzlich eingebaute neue Zusatzbenzinfilter fliegt raus, Probefahrt, nee das war es noch nicht. Ich bekomme ohne große Umschweife Nele´s Drittauto um wieder nach Büsum zu fahren, schaffe tatsächlich meine ersehnte Barfuß-Wattwanderung und amüsiere mich über dieses Beispiel „internationaler Gastfreundschaft“…
So langsam verstehe ich, warum die Mehrheit der Briten den Brexit als letzten Ausweg gewählt haben. Währenddessen zerlegt Meister Lorenzen den Vergaser komplett und bringt ihn zum Ultraschallbaden zu einem befreundeten Schrauber. Info am Abend: Vergaser zurück zusammengebaut, aber die Zündkontakte sehen fragwürdig aus, auch fehlen die Einstelldaten für die Zündung. Peter muss helfen, sendet postwendend die benötigten Daten. Fehlen nur noch neue Kontakte. Die liegen bei mir daheim im Schreibtisch oder im Regal oder wo. Sie werden gefunden und Töchterchen darf sie am Freitag früh per Expressbrief nach Süderholm schicken, Ankunft Samstag vor 10:00 Uhr.
Freitag
Postversand bestätigt, Nele informiert und seine Frau antwortet mir wie selbstverständlich: „Ja, die Kontakte sollen Samstag eingebaut werden, du willst ja am Sonntag zurückfahren.“ Ich bin echt baff und darüber hinaus kann ich deren Drittauto, übrigens ebenfalls ein V8, ein guter Stern, noch solange ich will behalten. JETZT genieße ich mein Frühstück. Zeit zum Durchschnaufen und erholen...zumindest bis morgen mittag. Ob ich wirklich am Sonntag auf eigener Achse heimfahren kann?
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